heidi mühlschlegel
puffer

Heidi Mühlschlegel: Frau S. und ihr Mann

Die Einzelausstellung "Frau S. und ihr Mann" zeigt eine Auswahl von Arbeiten der Künstlerin Heidi Mühlschlegel, vorwiegend im Medium der Malerei, die in einer Spanne von etwa 2000 bis 2020 entstanden sind. Deutlich wird ihre kontinuierliche Arbeit an einer eigenständigen Formensprache, die sich durch eine starke Buntfarbigkeit, geschichtet wirkende Übermalungen und applikative Erweiterungen des Bildträgers auszeichnet. Ihre Motive sind oft der Alltagskultur entnommen oder beruhen auf persönlichen Begegnungen oder Beobachtungen. Traumhaft aufgeladen eröffnen sie einen Bildkosmos, in dem Reales und Imaginiertes permanent ineinander übergehen. Viele der im Kunstraum gezeigten Arbeiten sind ursprünglich in einem installativen Zusammenhang, der nicht selten kollaborativ organisiert war, entstanden. Eine derart in größere gesellschaftliche Zusammenhänge und Prozesse eingebettete Malerei hat man in den letzten Jahren, oft im Rückbezug auf David Joselits Artikel "Painting Beside Itself" (2009 erschienen in der Zeitschrift October), mit dem Begriff "network painting" zu fassen versucht, also einem Begriff, der sich vor allem auf die Herausforderung bezieht, (zumeist analoge) Malerei im Kontext (zumeist digitaler) Netzwerke des 21. Jahrhunderts als nicht-regressives Projekt weiterzuführen. Die malerischen Arbeiten von Heidi Mühlschlegel thematisieren nun zwar weniger die digitale Zirkulation von Bildmotiven in medialen Netzwerken, aber doch Zirkulation im Sinne einer "Wiederkehr" der Bilder, sei es als Werbemotive im Alltag, als Comicfiguren, sei es als Traum- oder Erinnerungsbilder. Dieses Zirkulieren kann dabei durchaus als Beitrag zu einer kollektiv geführten Kommunikation gelten. Und auch die in den Bildern oft thematisierte Funktion von Kunst als Ware und symbolischer Mehrwert innerhalb des Kunstbetriebes und des Kunstmarktes macht deren "Netzwerk"-Charakter deutlich. Eingesetzt werden dabei jedoch weniger versteckte Anspielungen oder Codes, die man in den Bildern finden und entschlüsseln könnte, sondern vielmehr praktiziert Heidi Mühlschlegel eine Art psychischer und physischer "Umwälzung", die man im Freud'schen Sinne auch als "Durcharbeitung" von Themen und Stoffen bezeichnen könnte. Dies geschieht sowohl auf inhaltlicher, als auch auf formal-materieller Ebene. Die zumeist figurativen Inhalte der Malerei von Heidi Mühlschlegel sind komplex, wenn nicht opak, d.h. die Bedeutung des Einzelmotivs liegt für den Betrachter oft im Verborgenen. Motive sind zwar erkennbar, aber ihr Inhalt erschließt sich nicht unmittelbar und wird nie ganz transparent. Dennoch sind die Inhalte nicht unverständlich, sondern bedürfen einer permanenten Arbeit mit und am Bild. Nehmen wir den Titel der Ausstellung "Frau S. und ihr Mann", so bezieht sich dieser möglicherweise durchaus auf eine konkrete Frau S. und ihren Mann. Da wir Frau S. aber ohnehin nicht kennen (oder doch?), signalisiert der Titel eher das grundsätzliche Vorhandensein einer sozialen Beziehung (der Ehe), die wir, selbst soziale Wesen, auf einer abstrakten, wenn nicht stereotypen, Ebene verstehen können. Wir können uns also ohne weiteres Kontexte vorstellen, in denen eine solche Konstellation vorkommen könnte: als Bildunterschrift in bestimmten Boulevard-Blättern, als Filmtitel oder einfach nur als aufgeschnappter Wortfetzen eines Kleinstadt-Gesprächs. Wir treten in die Arbeit der Bedeutungsproduktion ein, wälzen Assoziationen und Ideen um, die mit eigenen und fremden, inneren und äußeren Bildern korrelieren. Wir wissen (oder vermuten?), dass auf vielen Arbeiten von Heidi Mühlschlegel Personen aus dem Kunstbetrieb, dem Umfeld der Münchner Akademie beispielsweise, aber auch Ausstellungseröffnungen und andere Veranstaltungen dargestellt sind. Identifizieren lassen sich diese meist nicht unmittelbar, außer wir wären in die Ikonographie eingeweiht. Dennoch artikuliert sich in ihnen eine durchaus allgemeingültigere Bedeutung, die über das "Privatmythologische" hinausgeht, und das vordergründig "Outsiderhafte" übersteigt: Wir erkennen Gruppen und Formationen, wiederkehrende Motive, Textfragmente und Beschriftungen. Das Psychedelische und auch "Untergründige" (Diana Ebster), der "Mahlstrom" (Ingrid Thorwart), dem die Bilder von Heidi Mühlschlegel entsprungen scheinen, sind demnach nicht rein subjektiv oder privat motiviert, sondern Bestandteil eines Netzwerks von Bezügen und Bezugnahmen, das im Medium des Bildes zwar seinen partikularen, aber doch überindividuellen Ausdruck findet. Dass Freuds Psychoanalyse strukturell nicht unwesentlich auf den Grundlagen der modernen Geologie aufgebaut hat, ist wissenschaftshistorisch bereits dargelegt worden: So wird die menschliche Psyche bei Freud als historisch Gewordenes verstanden, das, ähnlich wie die Gesteinsschichten der Erdoberfläche, aus übereinander gelagerten Schichten von Erfahrungen und Erinnerungen besteht. Das Freilegen bestimmter Erfahrungen und Erinnerungen, beispielsweise aus der Kindheit, geschieht bei Freud zwar nicht mit Hammer und Spitzhacke, aber in einem durchaus auch physisch zu verstehenden, "archäologischen" Arbeitsprozess, der mühevoll und langwierig sein kann. So ist bei Freud nicht umsonst von Traumarbeit oder Trauerarbeit die Rede. Darauf, dass man im Fall der Bilder von Heidi Mühlschlegel von einer ähnlich archäologischen Bildarbeit sprechen könnte, weisen Bildtitel wie "Uralter Fleck und neues Gewebe", "Pinnwand" oder "übermalt" hin. Wenngleich sie die Farbe eher dünn aufträgt, sind es doch oft viele Schichten, Übermalungen oder Umarbeitungen von älteren eigenen oder aber auch fremden Arbeiten, die ihre Arbeiten bestimmen. Aufgeklebte oder angestückte Textilien werden im buchstäblichen Sinne als zusätzliche Bedeutungsebenen eingesetzt, die zugleich zeigen und verbergen. In viele der dreidimensionalen Arbeiten von Heidi Mühlschlegel sind Gegenstände und Textilien als Füllmaterial eingenäht, wodurch deren Außenform oft leicht verformt wirkt. Die verwendeten Materialien werden hier nicht nur aufgrund ihrer Wertschätzung als Rohstoff "recycelt", sondern auch als Träger von Bedeutung wiederverwendet. Die Oberfläche der äußeren Hülle ist damit nicht alleiniger Zeichenträger, sondern das Innenleben wirkt im wörtlichen Sinne "subkutan" oder "okkult" (im Verborgenen) bei der Bedeutungsproduktion mit. Während dreidimensionale, figürliche Arbeiten oft eine Art puppenhaftes Gegenüber darstellen, erlaubt das gemalte Tableau dem Betrachter einen distanzierteren Blick auf das Dargestellte. Malerei hält Dinge in einer "symbolischeren" Art und Weise fest als die rundplastisch erfahrbare Figur; so bleibt das Bild aufgrund seiner spezifischen Medialität immer Fiktion, während die Skulptur einen eigenen Präsenzraum unmittelbarer einfordert. Diesen Gegensatz hat Heidi Mühlschlegel in ihren Hängungen und Installationen oft in fast konfrontativen Gegenüberstellungen von Malerei und Objekt thematisiert. Auch im Kunstraum sind Objekte zu sehen, die jedoch als "Inseln" einen Status einnehmen, der sie dem gemalten Bild annähert.

puffer

 

heidi mühlschlegel